Angst vor Uploadfiltern?


Es ist beschlossene Sache – Die EU-Urheberrechtsreform wurde abgenickt und wird schon sehr bald Teil der nationalen Gesetze.
Im Fokus der allgemeinen Berichterstattung liegt häufig der Urheber und wie dessen Vergütung in Zukunft aussehen wird. Ebenso wird oft der User / Uploader genannt, dem das Gesetz mehr Rechtssicherheit verspricht. Kaum erwähnt wird jedoch welche Auswirkungen die Reform des EU-Urheberrechts auf Betreiber von Webseiten, Shopsysteme und Co. haben wird. Wir bieten einen kleinen Ausblick.
Die EU-Urheberrechtsreform und welche Änderungen sich für Webseitenbetreiber ergeben
Was bisher geschah
Am 26.03.2019 wurde durch das EU-Parlament die Reform des Urheberrechts beschlossen. Rechtskräftig wurde der Beschluss jedoch erst am 15.04.2019, als der EU-Rat der Urheberrechtsreform gleichermaßen zustimmte.
Bekannt wurde die Reform allem voran durch die hart umstrittenen Uploadfilter. In manchen Zeitungen und Online-Magazinen wurde sogar von der vollständigen Zensur des Internets geschrieben. Es kam zu angeregten Diskussionen und sogar Protesten. Andere betrachten die Reform wiederum nüchtern oder sehen darin sogar positive Neuerungen.
Worum es geht
Insbesondere geht es um zwei Artikel des neuen Urheberrechts, nämlich Artikel 15 und Artikel 17 (früher Artikel 11 und 13).
In Artikel 15 wird die Schaffung eines europäischen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger geregelt. Der Artikel soll kostenloses Listing mit Inhalten einer Zielwebseite (Verwendung von Snippets als Teasertext) unterbinden. Durch die Regelung werden künftig allem voran Suchmaschinen wie Google und Co. Zur Kasse gebeten, möchten sie weiterhin die Snippets von Webseiten in einer Vorschau anzeigen.
Artikel 17 soll künftig dafür sorgen, dass die Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Materials im Internet verhindert wird. Der Artikel soll eine rechtmäßige Entlohnung des Urhebers bei der Verwertung seiner Werke sicherstellen. Die Verantwortung zur zahlungspflichtigen Verwertung wird in die Hand der Betreiber von Online-Plattformen gelegt. Nämlich mit der Pflicht zu Filterung aller Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen.
Wie sich das Internet verändern könnte
Letztlich liegt es aktuell an den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, rechtliche Regelungen zur Umsetzung der Urheberrechtsreform im nationalen Gesetz einzuführen. Wer nun denkt, dass es hier zu gravierenden Abweichungen kommen kann, irrt leider, da das EU-Urheberrecht keine großen Spielräume zur Interpretation lässt.
Was sich durch Artikel 15 ändert
Noch ist nicht klar, wie sich Artikel 15 auf das Web konkret auswirken wird, jedoch werden einige Szenarien kräftig debattiert:
Szenario 1: Suchmaschinen bezahlen pro Klick an die Verlage. Dies ist selbstverständlich der große Wunsch aller Verlage, wobei hier auch diskutiert wird, ob denn nicht auch schon eine Einblendung der Texte als Verwertung zahlungspflichtig sein sollte.
Szenario 2: Suchmaschinen zeigen neben dem Titel und der URL keine weiteren Informationen über eine Webseite an. Vielleicht kennt dies der ein oder andere noch vom Google-Vorgänger „BackRub“.
Szenario 3: Suchmaschinen geben die Kosten zur Anzeige von weiteren Informationen an Webseiten-Betreiber weiter. Man kennt dies auch jetzt schon von Google Ads. Dieses Szenario wäre zugleich der worst-case aus Sicht von Webseiten-Betreibern.
Was sich durch Artikel 17 ändert
Die Änderungen durch Artikel 17 werden sehr viel gravierender ausfallen.
Schließlich werden dadurch alle Betreiber von Onlinediensten in die Pflicht gekommen, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden. Hierfür gibt es derzeit zwei Ansätze:
Szenario 1: Die Filterung wird noch vor dem Upload im Webbrowser (also direkt auf dem Client-Rechner) vorgenommen und greift dabei auf eine global-europäische Datenbank zurück. Bei diesem Szenario wären jedoch die Hersteller von Webbrowsern in der Pflicht, entsprechende Funktionen zu implementieren. Weiterhin geht mit diesem Vorschlag die Frage nach der Finanzierung einher. So war schon eine „Uploadsteuer“ für Webseiten-Betreiber im Gespräch, bei der die Einnahmen auf die Entwickler und Betreiber der notwendigen Dienste und Funktionen verteilt werden. Die Gespräche für dieses Szenario sind jedoch schon einige Wochen vor der endgültigen Abstimmung über die Urheberrechtsreform verstummt.
So bleibt nur Szenario 2: Die heißdiskutierten Uploadfilter. Entwickelt, betrieben und gepflegt durch die Betreiber von Onlinediensten. Die Entwicklung solcher Filter ist sehr kostspielig und der Betrieb der Filter (je nach Anwendungsfall) mit sehr viel Rechenleistung verbunden. Hier wird derzeit das Argument diskutiert, dass es insbesondere für kleinere Unternehmen und Startups nicht möglich sein wird, in eine entsprechende finanzielle Vorleistung zu gehen. Somit würde die Regelung den Markt nur noch für Unternehmen mit dem passenden finanziellen Hintergrund öffnen. Von Seiten der Bundesregierung ist daher eine 3-jährige „Schonfrist“ für neue Unternehmen vorgeschlagen worden – aber auch dies ist in der Schwebe.
Unabhängig von der zukünftigen Filterung neuer Inhalte müssen alle Betreiber von Internetportalen und Onlinediensten in einem ersten Schritt jedoch den aktuellen Bestand der hinterlegten Multimedia-inhalten, Texte und Bilder auf Verstöße gegen das Urheberrecht prüfen. Eine händische Sichtung ist hier in den meisten Fällen durch die große Masse an Inhalten nicht möglich und somit kommen auch hier Algorithmen zum Einsatz.
Leider haben sich bisher alle verfügbaren Algorithmen als sehr fehleranfällig erwiesen. So können diese beispielsweise nicht gut genug unterscheiden, ob urheberrechtlich geschützte Inhalte möglicherweise zitiert wurden und somit weiterhin ohne Einschränkungen publiziert werden dürfen.
Sobald diese Filter mit dem aktuellen technologischen Stand zum Einsatz kommen, würden sehr viele Inhalte aus dem Internet verschwinden.
Die größte Kritik an Artikel 17 ist daher, dass eine Regelung geschaffen wurde, für dessen Erfüllung noch nicht alle technologischen Grundlagen bereitstehen und zudem eine Umsetzung mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden ist.
Was sich für Betreiber von Webseiten konkret ändern wird
Alle bestehenden Inhalte müssen geprüft werden
Abmahnwellen sind nichts Neues und so wird vorausgesagt, dass es mit der Urheberrechtsreform (sobald diese durch nationales Gesetz greift) zu ähnlichen Situationen kommen wird. Daher gilt: Alle Inhalte müssen durch den Betreiber des Systems gesichtet werden. Ob man dies nun händisch vornimmt (und da könnte die Fehlerquote noch viel höher ausfallen) oder dazu Dienste nutzt (die es bislang noch nicht gibt), bleibt einem dabei selbst überlassen.
Alle Benutzereingaben müssen vor Veröffentlichung gesichtet werden
Stichwort „Uploadfilter“. Sobald es Benutzern möglich ist, Inhalte zu veröffentlichen (selbst rein textbasierte Inhalte, wie Kommentare, Bewertungen oder ähnliches), muss sicherstellen können, dass hier kein Verstoß des Urheberrechts vorliegt. Auch hier gilt wieder: Filtern oder sichten.
Reichweite kann teuer werden
Schon jetzt greifen viele Betreiber von Shopsystemen auf Blogartikel Dritter zurück um die eigene Seite sichtbarer zu machen. Es gibt sogar viele Blogger, die einem diese Leistungen anbieten. Jedoch muss man hier zukünftig sehr aufpassen. Handelt es sich nämlich dabei um urheberrechtlich geschützte Inhalte, die man auf seiner eigenen Seite veröffentlicht (selbst Teaser zu externen Seiten), so muss einem bewusst sein, dass das Urheberrecht nicht übertragbar ist. Lediglich die Nutzung kann eingeräumt werden. Daher kann es passieren, dass man für die Verwendung oder Verlinkung von urheberrechtlich geschützten Inhalten Dritter durch eine Verwertungsgesellschaft zur Kasse gebeten wird.
Der Betrieb von Onlinediensten kann teurer werden
Wer seinen Onlinedienst, CMS, Shopsystem oder Blog mit sehr intensiver und flexibler Benutzerinteraktion betreibt, wird langfristig nicht über Filter hinweg kommen und dies finanziell sicherlich spüren. Die Entwicklung eines eigenen Filters kann man im sechs- bis siebenstelligen Bereich ansiedeln. Daher wird die Nutzung eines Filters als Webservice sicherlich nicht kostenlos bereitgestellt werden.
Ein Ausblick
Zwar wurde die Reform auf europäischer Ebene beschlossen, jedoch sind noch keine nationalen Gesetze zur Umsetzung festgelegt worden. Hierfür haben die EU-Mitgliedsstaaten nun zwei Jahre Zeit. Erst wenn dies passiert, kann über tatsächliche Auswirkungen gesprochen werden. Wir werden in unserem Blog berichten, sobald es Neuigkeiten gibt.